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2023 Urlaub

Free Solo

Wenn ich den Weg an einem Schild vorbei weitergehe, auf dem „Nur für Bergsteiger“ steht, und ich mich davor nicht unbedingt als Bergsteiger gesehen habe, und ich weder auf dem Hinweg noch auf dem Rückweg umgekommen bin, dann darf ich ab jetzt wohl „Bergsteiger“ auf meine Visitenkarte schreiben. Wenn ich das Schild richtig verstehe.

Seit dem ersten Urlaub vor 5 Jahren im Blick, vergangenes Jahr zum ersten Mal versucht, dieses Jahr dann endlich auf der Liste: die vom Balkon aus sichtbare 2410 Meter hohe Ennskraxn. Zitat des Tourismusverbands:

Abwechslungsreiche Bergtour über Wiesen und durch den Wald, vorbei an der Steinkaralm bis zum Blauen See. Von dort aus der Felswand folgender Steig in leichter Kraxelei bis zum Gipfel. Bergerfahrung und Trittsicherheit erforderlich.

Jetzt kann man ja überlegen, wie diese Beschreibung zu lesen ist. Aus Erfahrung sind Alpenvereine ja eher lax mit den Beschreibungen bzw. Bewertungen. Zum Beispiel ist eine „kinderwagentaugliche Rundtour“ häufig mit der Frage verbunden, wie groß und schwer dieser Kinderwagen denn sein soll, den man da kilometerweit eine schattenlose ansteigende Schotterpiste entlang schieben soll. Was also ist „leichte Kraxelei“? Ab welchem Berg hat man „Bergerfahrung“? Und was genau ist ein „Steig“? Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.

Wanderstart um 7:30 unten in Kleinarl, und ab da zieht sich die Geschichte erstmal ein wenig wie Kaugummi bis zur Steinkaralm. Kühe versperrten ab und an den Weg, aber über die kann man ja rübersteigen. Die nächste Etappe zur Blauen Schmelzwassergrube zum Blauen See ist dann schon schöner. Der Tümpel auch, und er hat sich für eine Frühstückspause angeboten. Die Bank bzw. das als Bank fungierende Brett ist leider beim Draufsetzen umgefallen, wenig grazil. Weiter, und da kam auch das folgenschwere Schild in Sicht: „Nur für Bergsteiger“. Gut, dann bin ich ab heute wohl ein Bergsteiger. Ging dann über eine Schneefurche den Kamm hinauf. Generell ist das ab dann ziemlich steil, ziemlich felsig-markant und Fallen wäre mindestens schmerzhaft. Der Weg wird ab einem – doch sehr frühen – Punkt nicht mehr gelaufen, sondern geklettert (oder gekraxelt, ich werfe hier gern und munter Begriffe durcheinander, bei denen sich Alpinisten der Wanderstock verbiegen würde). Der Gipfel ist dann doch atemberaubend schön, auch weil höher als das meiste Umstehende, die Aussicht fabelhaft, auch weil Wetter. Rückweg dann nach einer Stunde am Gipfel, erst rückwärts klettern und dann irgendwann über einen Forstweg zum Shuttleberg. Ich hatte nämlich keine Lust mehr auf steil bergab durch den Wald und wollte Sessellift fahren. Einige Gedanken:

  • War angenehm, dass sich die Wolken erst gegen 10 verzogen haben und der Kamm am Vormittag der Sonne abgewandt liegt.
  • Man ist nie der Erste, es stehen immer Leute vor einem auf.
  • Man ist nie der Schnellste, es laufen immer Leute schneller den Gipfel hinauf. Und hinunter.
  • Ich packe meinen Rucksack immer zu voll, wenn ich an den Berg gehe. Immer. Und brauche nix davon. Eine Jacke… was für eine dämliche Idee.
  • Es war durchweg angenehm ruhig und leer.
  • Ich weiß nicht, ob ich das nochmal machen muss oder will. Macht man als Bergsteiger Berge mehrmals? Oder geht man zum nächsten? Bin ja noch nicht lang dabei in der Gruppe der Bergsteiger.
  • Bewertung 9 von 10 (aber nur, weil noch Luft nach oben bleiben muss), da hat alles gestimmt. War vielleicht nicht die konditionell anstrengendste Tour, aber zum Ende sicher die bislang technisch anspruchsvollste.

Und was hat der Rest gemacht? Elena und Nora waren am Geisterberg. Das war wohl durchaus schön, aber Nora hat auch gesagt: „Nie wieder Geisterberg“. Da ist es nämlich immer einfach nur heiß. Deshalb gab es anschließend auch Freibad (übrigens auch für Tobi, der musste nämlich dringend auskühlen).