Der November hatte dann noch einen letzten business trip dieses Jahr aus dem Ärmel geschüttelt. Es ging zum Web Summit nach Lissabon. Dank (?) früher Anreise und später Abreise blieb genug Zeit, sich diese Metropolregion mal näher anzusehen. Also…
Lissabon
Abflug um 6:00 Uhr bedeutet lustigerweise Gepäckschalter, die um 5:00 Uhr schließen. Die Rechnung kann jeder selbst im Kopf machen, wie früh der Wecker da klingelte. Genau. Der Flug mit tap portugal war wie die meisten Flüge unspektakulär und von schlechtem Essen geprägt – ein Actimel-Trinkjoghurt (fun fact: die wichtigen linksdrehenden Kulturen darin heißen nicht mehr L. casei defensis, sondern L. casei danone) sowie ein trockenes und gleichzeitig pappiges Baguette mit einer einzelnen traurigen Scheibe Mystery-Wurst.
Naja, nach der Landung dann erstmal von der gleißenden Sonne Portugals geblendet und ein Taxi gesucht. Gefunden, und mit durchschnittlich 100 km/h zum Hotel chauffiert worden. Das Sweet Lisbon Guesthouse entpuppte sich dann als etwas abenteuerliche Absteige: sobald man in der Tür drin ist, ist alles nett, die Zimmer sind gut. Aber davor darf man eine Tür aufstoßen, die nicht geöffnet werden möchte, ein stockfinsteres Treppenhaus durchqueren, weil man den Lichtschalter nicht findet, und dabei den odeur der im Treppenhaus geparkten Mülltonnen genießen ignorieren.
Naja, erstmal Augen zu und einen Teil der Nacht nachholen. Und dann: Sightseeing! Auf und ab durch die Straßen Lissabons. Ich lass mal die Bilder sprechen.
Lissabon kriegt 3 von 5 spiegelglatt polierten Pflastersteinen.
Sintra
Eine Zugstunde entfernt fand sich Sintra. Alte Stadt, mit Palast und Ruine etc pp. Da die Sonne schien ein perfektes Ziel für einen Ausflug. In der – nennen wir sie mal – Altstadt (was ja nicht stimmt, ist ja alles alt hier) reiht sich dann eine Touristenfalle an die andere, mit Souvenirshops und Viersprach-Laminiert-Speisekarten im Wechsel. Allerdings konnte man vom Bahnhof schon das castelo de mouros (bzw. dessen Ruinen) am Bergrücken erblicken und als Tagesziel eintakten. In weiser Voraussicht dann noch ein paar der hiesigen Konditorspezialitäten erworben (von wegen Zucker unterwegs) und ab dafür.
Tja, so ein Aufstieg kann ziemlich anstrengend sein, aber wofür macht man denn den ganzen Sport? Oben angekommen dann zähneknirschend die 6,50€ Eintritt gezahlt (kostet in der Hauptsaison wohl mehr) und sich eine ganz nette Burgruine angeschaut. Die Aussicht war schon super und das Kraxeln entlang der Mauern auch, aber auch hier gilt der Spruch kennste eine, kennste alle. Fazit zum castelo: sollte man machen, weil allein der Aufstieg Spaß macht.
Sintra kriegt 4 von 5 Nilpferdstickern (mit Stoff).
Cascais
Eine knappe halbe Stunde Zugfahrt von Lissabon entfernt (plus x, je nachdem, wo denn dein Hotel liegt) liegt Cascais. Ein… nun ja… Strandort? Schwer zu sagen. Allerdings gibt die Suche nach day trip from lisbon meist genau zwei Ergebnisse: Sintra und Cascais. Und bei der begrenzten Zeit vor Ort wollte ich nicht groß nachdenken und hab das eben so genommen.
Also Cascais: es ist ein Ort am Wasser. Hafen für private Boote, teure Hotels mit Blick aufs Wasser, teure Hotels mit Blick ohne Wasser, Strände. Wobei das Wort Strand hier eher bedeutet Stück mit Sand. Und die baco de inferno haben sie hier, wobei man leider sagen muss: kennste eine Klippe mit Wellen die Krach machen, kennste alle Klippen mit Wellen die Krach machen.
Im Grunde aber egal, denn wo sonst kann man im November bei 20°C und Sonnenschein im Sand sitzen? Eben!
Cascais kriegt 3 von 5 Sandburgen (bei Sonnenschein).
Essen
War gut. Nicht immer leicht zu finden, aber gut.
Fazit
Lissabon ist eine Stadt. Kennste eine, kennste… nein, das lassen wir mal.
Die Pluspunkte
- Die engen Gassen, die sich auf und ab über die sieben Hügel schlängeln. Da einfach durch und immer wieder irgendwas neues sehen und finden. Das macht Spaß und lässt einen mal wieder die Muskeln am Schienbein spüren.
- Das Gebäck. Pasteis de nata bzw. belém (da ist man sich wohl nicht so ganz einig) sind einfach großartig. Und auch die restlichen Auslagen der Cafés sind nicht zu verachten.
- Das Wetter. Sonne, Sonne, Sonne und milde Temperaturen. In der Ausprägung nicht erwartet und maximal überrascht worden.
Die Minuspunkte
- Ich werd irgendwie mit dieser südländischen Mentalität nicht warm. Damit meine ich jetzt nicht die immer wieder gern zitierte Gelassenheit (die nehme ich hier nicht wahr, hat die schon jemand gefunden?). Mehr diesen völlig fehlenden Respekt für Menschenleben im Straßenverkehr. Und dieses Gefühl, an jeder Ecke abgezockt zu werden: Espresso im Sitzen, Espresso im Stehen, Espresso mit Blick aus dem Fenster, Espresso aus Espressotasse – alles unterschiedliche Preise. Und dann stellen wir dir hier noch ungefragt nen Riesenteller Brot, Oliven, Dips und sonstewas hin. Aber nicht anfassen, sonst musste das zahlen. Von Taxifahrern fang ich mal gar nicht erst an…
- Essen gehen. Die Wahl ist eigentlich nur zwischen Touristenfallen und sorry, only with reservation. Das ist anstrengend.
- Drogen. Wenn ich blöd angequatscht werden will, dann fahr ich in den Görlitzer Park. Aber dank der Entkriminalisierung der Drogen hier wirst du hier alle Nase lang gefragt, ob du nicht Gras, Koks oder Pfeilgift kaufen willst. Das nervt.
Nochmal hin?
Eher nein. Zumindest nicht gezielt. Als Teil einer Portugal-Tour mit Mietwagen aber wahrscheinlich schon.
Und bei einer Portugal-Tour hat man sowieso keine Wahl, denn man wird unweigerlich in Lissabon landen. Außer man fliegt irgendeinen obskuren Hinterlandsflughafen an.